governing thoughts

Ein Kernelement der Gouvernementalität bei Foucault besteht in der Zusammenschließung dieser beiden Elemente. Der Bezugspunkt sind bei ihm historische Regierungspraktiken, die eine bestimmte Rationalität innehaben. Die Frage, die Foucault nun interessiert ist einmal mehr: Wie sich die Rationalitäten in die Praktiken einschreiben.

Er bleibt leider vage, was die Beantwortung dieser Frage angeht. Nikolas Rose geht von einem diskursiven Charakter der Gouvernementalität aus. Erst durch sprachliche Elemente wird es möglich, phänomenologische Erscheinungen in Informationen zu transformieren. Diese können dann einen Gegenstand konstruieren, der damit regierbar wird und verwaltet werden kann. Eine politische Rationalität ist demnach eine gedankliche und sprachliche Bearbeitung der Realität.
Bsp.:
Beobachtung: Die öffentlichen Kassen sind leer.
Gedankliche Bearbeitung: Sparen!

Die politische Technologie setzt nun an der Rationalität an, um deren Zielvorstellungen wieder an die Realität rückzubinden.
Bsp.:
Rückbindung der "Sparen!"-Rationalität: Kürzungen, veränderte Steuerungspolitik, Qualitätssicherung, Übertragung von Kosten auf Individuen...


jaja, am Montag ist die nächste Prüfung =)

Assheuer beginnt seinen - unbedingt lesenswerten - Artikel mit der Feststellung, dass sich die Funktion des Intelektuellen gewandelt habe. Früher sei es geradezu ihre Aufgabe gewesen, Utopien von gerechteren Gesellschaften zu entwickeln. Heute gäbe es seitens "der Intelektuellen" kaum noch utopische Vorstellungen einer besseren Weltordnung. Einer der Gründe liege in der veränderten Zeitstruktur, so Assheuer:
Es gibt noch andere Gründe für die Entpolitisierung der Intellektuellen und die Erschöpfung ihrer Fantasie. So hat sich, und zwar fundamental, das Zeitbewusstsein unserer Gegenwart verändert. Während in früheren Zeiten soziale Utopien über den Stillstand der Verhältnisse und einen eklatanten Mangel an Zukunft klagten, so verhält es sich heute genau umgekehrt: Von der Zukunft gibt es zu viel. Unaufhaltsam bedrängt sie die Gegenwart, nimmt gar von ihr Besitz und lässt die Grenze zwischen heute und morgen verschwimmen.
Thomas Assheuer: Wer hat Angst vor der Utopie? In: Die Zeit 50/2002
Ich denke hier nur an die Operation sichere Zukunft.
Durch neoliberale Entwicklungen, Globalisierung kompromisslose Marktbereitschaft würden immer mehr Theoretikerinnen nur noch die Gegenwart kommentieren, anstatt die Zukunft neu zu erfinden. Und das sei, so Assheuer auch verständlich:
All das sind Provokationen für den nachutopischen Intellektuellen, dessen politische Fantasie nicht ohne Grund vor dem Un-Denkbaren verzagt. Denn er hat ja Recht, wenn er auf die ungeheure Komplexität der Weltgesellschaft verweist. Er hat Recht, wenn er zeigt, dass globale Lösungen oft neues Leid und neue Missachtung erzeugen.
ebd.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass Utopien zumindest Hoffnung auf Veränderungen bringen können, auch wenn mir beim besten Willen keine einfällt. Wenn man sich noch nicht einmal eine "bessere Zeit" vorstellen kann, wie soll sie sich dann verändern?

Das Roulette entspricht ziemlich genau dem Bild eines Universums vollkommener Konkurrenz und Chancengleichheit, einer Welt ohne Trägheit, ohne Akkumulation und ohne Vererbung von erworbenen Besitztümern und Eigenschaften. Jeder Augenblick wäre dort vollkommen unabhängig von allen vorausgegangenen, (...), so daß jedermann zu jeder Zeit alles werden könnte.
Pierre Bourdieu:Ökonomisches Kapital, soziales Kapital, kulturelles Kapital. S. 49/50

Das ist in der Tat eine interessante Überlegung. Das Glücksspiel als Sinnbild für Chancengleichheit. Vielleicht sollte sich das politische System auch nach diesem Prinzip organisieren. Alle Bürger werden in Datenbanken gelistet, um dann bestimmte Regierungs- bzw. Parteifunktionen und Positionen zu verlosen. Warum eigentlich nicht, das wäre bestimmt auch keine größere Farce als jetzt, nehme ich an.

Pädagogik und Macht sind nicht voneinander zu trennen. Diese Behauptung liegt aus zwei Gründen nahe. Zum einen existiert Foucault zufolge kein machtfreier Raum und zum anderen zeichnet sich die pädagogische Praxis besonders durch ein explizites, strukturelles und positionsbedingtes Machtverhältnis zwischen den Beteiligten aus.

Die Beziehung von Lehrenden und Lernenden basiert auf einem asymmetrischen Verhältnis. Den Lehrenden wird ein höheres und reicheres Wissen zugeschrieben, das den Lernenden - in welcher Form auch immer - vermittelt werden soll.

Denkt man an die Notengebung in der schulischen Ausbildung, so wird schnell deutlich, dass die Lehrenden die zukünftigen Zugangsvoraussetzungen ihrer Schüler in ihren Händen halten. Sie sind in diesem Sinne die ausführenden Organe einer schulimmanenten Selektion und entscheiden über die späteren Zugänge ihrer »Zöglinge«.

Die Schulpädagogik hat des Weiteren noch den zusätzlichen Auftrag, die Schüler mit zu erziehen. So wird in Bildungsplänen für Grundschulen die Persönlichkeitsentwicklung, die Stärkung von sozialen Beziehungen und demokratischem Verhalten und die Förderung des Umweltbewusstseins hervorgehoben.

Die Lehrperson übt an dieser Stelle einen weitreichenden Einfluss auf das Handeln des Kindes aus und strukturiert dessen Selbstpraktiken mit. Es kann an dieser Stelle nicht in Zweifel gezogen werden, dass Machtbeziehungen dem Schulwesen inhärent sind.

Der Unterschied zur Erwachsenenpädagogik besteht nun darin, dass Erwachsene als voll sozialisierte Menschen gelten, die nicht mehr erzogen werden müssen. In der Regel wird davon ausgegangen, dass sich die Adressaten der Erwachsenenbildung nicht mehr in der Erstausbildung befinden und somit einen Teil ihrer Bildungsbiographie schon hinter sich haben. Das heißt allerdings keineswegs, dass es sich bei der Erwachsenenbildung um einen machtfreien Raum handelt. Hier wird diese vielmehr über indirekte Steuerungsmechanismen. Auf Arbeitslose können beispielweise durch die Produktion der Hoffnung - nach der Weiterbildung eine Stelle zu bekommen - Machtmechanismen einwirken.

Ich bereite mich zur Zeit auf meine abschließenden Prüfungen vor, und so kam es, dass eines meiner Prüfungsthemen die "Geschichte der Kindheit" ist. Dazu habe ich den Aries, den Anstoßpunkt der Forschungstradition gelesen. Währendessen sind mir immer wieder Phrasen negaiv aufgestoßen, in denen Aries die rohen mittelalterlichen Zustände mit den heutigen (das Buch erschien 1960) arabischen Gesellschaften vergleicht:

Wir haben es hier mit derselben Reizbarkeit zu tun, die die arabischen Massen bis in die heutige Zeit bewahrt haben und die einen harmlosen Vorfall leicht in Plünderungen und Massaker ausarten lässt,; es fällt uns mittlerweile immer schwerer, uns diese Mentalität vorzustellen.
Philippe Aries: Geschichte der Kindheit. S. 442
Solche pauschal-stereotype Passagen finden sich an einigen Stellen des Buches.

Umso mehr überraschte mich dann die Tatsache, dass eben dieser Aries Foucaults Dissertation Wahnsinn und Gesellschaft veröffentlichte.
Beide Theoretiker scheinen ähnliche Konzeptionen von Geschichtsschreibung zu haben. Sie setzen sich beide sehr intensiv mit ihren Materialien auseinander. Insofern sollen sich beide aus theoretischer Perspektive auch zu Lebzeiten geschätzt haben.

Allerdings sind nach der Foucault-Biographie von Didier Eribon die menschlichen und politischen Gegensätze der Geschichtsschreiber eindeutig:

Sie stehen zueinander wie Tag und Nacht, wie der Teufel und der liebe Gott. Aries ist katholisch, integristisch und war lange Monarchist, und er hat immer Ideen der Rechten vertreten, um nicht zu sagen der extremen Rechten.
Didier Eribon: Michel Foucault. 1999, S. 172

Interessante Verbindung jedenfalls.

Dazu gehört die These [von Baudrillard; Lia], daß zuhnehmende Informiertheit heute einhergeht mit wachsender Dummheit und zunehmenden Aberglauben, daß also die Informationstechnologien und Bildschirme eine neue Form der Ungewißheit repräsentieren.
Johannes Fromme(1997):Pädagogik als Sprachspiel. S. 81


Baudrillard geht in seiner Simulationthese davon aus, dass das symbolische Zeichensystem (dazu gehören Texte und Bilder) keinen Referenzpunkt in der Realität mehr hat, sondern nur auf andere Zeichen verweisen kann. Bei einem stetig steigenden Überfluss an symbolischen Zeichen -zum Beispiel im Fernsehen- geht damit der Verlust an "Inhalten" oder "Referenz" einher, da die Zeichen immer nur auf sich verweisen. Es kommt also zu einer gleichzeitigen Überfülle und Leere.

Im ersten Moment hört sich das für mich durchaus spannend und interessant an, allerdings tun sich mir einige Fragen auf. Aber erst mal eine davon: Ereignisse, die im TV dargestellt werden -sei es in der Tagesschau oder in den RTL II Spaß News- verweisen doch mittels (Live)Bilder zunächst auf die realen Ereignisse, die symbolisch noch nicht repräsentiert sind, oder?

Aus einer foucaultschen Perspektive - und nicht nur aus der - lässt sich das Umformulieren von Hartz interpretieren.

Wenn man davon ausgeht, dass Rationalitäten und Mentalitäten hauptsächlich durch Sprache ermöglicht, geformt und verbreitet werden und dass die Rationalität wiederum dadurch in einen sagbaren und einen nicht sagbaren Bereich unterteilt wird kann man annehmen, dass "Hartz" in den nicht sagbaren hinein manöveriert wird.

Indem "weichere Worte" gewählt werden (sollen), wird den zurecht Protestierenden die Existenzberechtigung mehr und mehr entzogen, da der Begriff der Arbeitsmarktreformen die vorherrschende Rationalität dahingehend formen kann, dass "Arbeitsmarktreformen" positiver als "Hartz" assoziert werden. Die Demonstranten können dann als Zerstörer der politischen Kultur deklariert werden.

Die Strategie der Responsibilisierung - der Verantwortungs- und Zuständigkeitsdelegation - gilt als zentrales neoliberales Regierungselement. Sie ist die zentrale Technik, da sie sowohl das kollektive (Einrichtungen und Unternehmen) und individuelle Subjekt (Individuen) als auch das Konzept der Arbeit neu formuliert.

Die Verantwortungsübertragung auf das Subjekt am Arbeitsplatz geht mit der Entwicklung einher, dass Arbeitnehmende sich zunehmend eigene Grenzen ihres Arbeitsverhaltens setzen müssen. Dieser Grenzziehungsprozess erscheint der als sehr schwierig, da das Subjekt und dessen Tätigkeit prinzipiell immer optimierbar bleiben. Ein "Zuviel" an Wissen oder Fähigkeiten kann es niemals geben. Das Subjekt erreicht nie einen letzten Punkt an dem es vollkommen wäre.

Die Tendenz zu mehr Verantwortung impliziert aber nun ein neues Ausbeutungsverhältnis. Die Sorge, den Arbeitsplatz oder die Marktanteile zu verlieren, treibt die Subjekte dazu an, sich bedingungslos für ihre Projekte einzusetzen. Aus der direkten Ausbeutung durch den Vorgesetzten wird eine indirekte Selbstausbeutung, die keinen Vorgesetzten mehr benötigt.

Die Strategie, Bildungsinstitutionen qua Mittelkürzungen zur wirtschaftlicheren Arbeit zu aktivieren und zu mobilisieren, lässt sich zeitlich und politisch in der neoliberalen Regierungsform kontextualisieren. Nun erscheint es oft als sehr schwierig, diese Strategie zu kritisieren.
Was spricht gegen Effizienz und Leistung in Bildungseinrichtungen? Was spricht gegen mehr Verantwortung und weniger Hierarchien? Im durch die Medien geprägten Alltagsdiskurs steht die positive Konnotation von Aktivierung im Vordergrund.
Die Bildungseinrichtungen würden seit Jahren ihre Gelder verschwenden und deshalb sei es nur gerecht, wenn diese sich nun entweder mehr anstrengen und wirtschaftlich erfolgreich werden oder eben untergehen, da sie sich nicht genug angestrengt haben.
In der Regel fällt es schwer, diese vorherrschende neoliberale Rationalität zu kritisieren. Zum einen findet sie sich in nahezu allen Lebensbereichen wieder, zum Beispiel im Bereich der Gesundheit, der Sicherheit und der Bildung und zum anderen bietet sie kaum noch Raum für Argumentationen, die auf das soziale Feld verweisen und dessen Belange in Kontrast zu einem „Alle Macht den Märkten“ Postulat stehen.

Einen Weg, diese Machtstrukturen aufzudecken, zu analysieren und zu kritisieren, bietet das Konzept der Gouvernementalität von Michel Foucault und der an ihn anschließenden Governmentality Studies. In diesem, von Foucault leider nur fragmentarisch erarbeiteten, Konzept werden Machtpraktiken nicht mit Verboten oder direkten Zwängen gleichgesetzt, sondern Macht wird als das Einwirken auf das Handeln anderer verstanden.
Die Kürzungen vom Mitteln beeinflusst das Handeln der einzelnen Einrichtungen dahingehend, sich mit Qualitätsmanagementverfahren, denen meist organisationale Veränderungen vorausgehen müssen, beschäftigen zu müssen.

Mit der Veränderung der Regierungsgrammatik zur Härte und Sorge ("der Staat" reguliert nicht mehr, Individuen sind auf sich gestellt, und müssen sich um sich sorgen) ändert sich auch der Ort des Regierens, d. h. „der Staat“ als zentralisierendes Organ tritt zurück und differenzierte Gruppen des Sozialen bilden regierende und zu regierende Communities.

„All dies scheint darauf hinzuweisen, dass das »Soziale« möglicherweise zugunsten der »Gemeinschaft« in den Hintergrund rückt, die sich als neues Territorium präsentiert, auf dem das individuelle wie das kollektive Leben regieren, als eine neue Ebene, auf der mikro-moralische Beziehungen zwischen Personen begrifflich gefasst und verwaltet werden.“
(Nikolas Rose: Tod des Sozialen? Eine Neubestimmung der Grenzen des Regierens. In: Lemke et al: Gouvernementalität der Gegenwart 2000, S. 79).

In Communities werden die inkludierten Subjekte dazu angehalten, sich aktiv und loyal für ihre Gemeinschaft zu engagieren. Insofern bestehen die Communities aus dem Zusammenschluss von moralischen Subjekten, deren Maxime in der Pflicht zur Eigenverantwortung und vor allem zur Eigeninitiative besteht.
Rose differenziert zwischen inkludierten und marginalisierten Communities. Während sich die Subjekte inkludierter Communities an der Subjektivität des Selbstunternehmers ausrichten, werden die Persönlichkeitsmerkmale von Marginalisierten partiell abtrainiert. Unter Marginalisierten können bestimmte Risikopopulationen wie Drogenkonsumenten und Straftäter verstanden werden, die durch die Bereitstellung bestimmter Heterotopien, wie zum Beispiel Fixerstübchen, aus dem sichtbaren Feld der Öffentlichkeit verschwinden sollen.

Im Fall der inkludierten Communities könnte man bestimmt auch von Lobby sprechen!?

 

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