Die Strategie der Responsibilisierung - der Verantwortungs- und Zuständigkeitsdelegation - gilt als zentrales neoliberales Regierungselement. Sie ist die zentrale Technik, da sie sowohl das kollektive (Einrichtungen und Unternehmen) und individuelle Subjekt (Individuen) als auch das Konzept der Arbeit neu formuliert.

Die Verantwortungsübertragung auf das Subjekt am Arbeitsplatz geht mit der Entwicklung einher, dass Arbeitnehmende sich zunehmend eigene Grenzen ihres Arbeitsverhaltens setzen müssen. Dieser Grenzziehungsprozess erscheint der als sehr schwierig, da das Subjekt und dessen Tätigkeit prinzipiell immer optimierbar bleiben. Ein "Zuviel" an Wissen oder Fähigkeiten kann es niemals geben. Das Subjekt erreicht nie einen letzten Punkt an dem es vollkommen wäre.

Die Tendenz zu mehr Verantwortung impliziert aber nun ein neues Ausbeutungsverhältnis. Die Sorge, den Arbeitsplatz oder die Marktanteile zu verlieren, treibt die Subjekte dazu an, sich bedingungslos für ihre Projekte einzusetzen. Aus der direkten Ausbeutung durch den Vorgesetzten wird eine indirekte Selbstausbeutung, die keinen Vorgesetzten mehr benötigt.

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albannikolaiherbst meinte am 18. Aug, 12:26:
Genau diesen Prozeß haben in den 80ern die Strukturvertriebe in Gang gebracht.
Etwa Carsten Maschmeyers heute allgegenwärtige AWD, die von Anfang an auch die juristische Verantwortung an den Mitarbeiter delegierte - also selbst naehzu unfaßbar blieb und bleibt -, als auch, andererseits, den "Freien" Selbständigen in ein Corporate-Identity-Korsett schnürte und schnürt, das ihm sogar die freie Wahl der Anzüge untersagte und untersagt. Hergenommen ist das Prinzip aus den wirtschafts"liberalen" USA, aber obendrein besonders zugeschmiedet und mit sektenähnlichen Methoden in die Psychen gesenkt. Zu den bekannten Strukturvertrieben dieser couleur gehören etwa auch der OVD und nicht wenige Vertriebstöchter von Versicherungsunternehmen und Banken, unter denen sich auch die Hypo und die, logisch, Deutsche Bank findet.
Es läßt sich derzeit gut beobachten, wie auch andere Unternehmen sich nach diesem juristisch schwer angreifbaren Konzept organisieren. Das geht zugleich einher mit der Unerreichbarkeit von zuständigen Personen in Großfirmen wie etwa der Telekom oder ebay. Ich habe hier einen solchen Fall dargestellt, allerdings Den Dschungeln gemäß literarisch zu einer Art Posse umformuliert, die gegenwärtig immerhin zu 5 Betrugsanzeigen gegen ebay geführt hat. Dies nur als ergänzenden Hinweis. 
Ostracised meinte am 19. Aug, 09:54:
Die Tendenz zu mehr Verantwortung impliziert aber nun eine detailliertere Strukturierung des Verhandlungsprozesses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das vereinbarte Ausmaß an Leistung. Die Sorge, den Arbeitsplatz oder die Marktanteile zu verlieren einerseits, andererseits die Sorge, für die vereinbarte Entlohnung zu viel zu leisten, treibt die Subjekte dazu an, sich bedingt für ihre Projekte einzusetzen und andererseits persönliche Freiräume zu erarbeiten, die den Interessen des Arbeitgebers durchaus entgegenstehen können. Der Arbeitgeber nimmt dies in Kauf, da hochwertige kreative Leistung nicht erzwungen werden kann. Aus der einseitigen Ausbeutung durch den Vorgesetzten wird eine bidirektionale Ausbeutung, die einem Gleichgewicht von Erwartungserfüllung zustrebt. ;-) 
albannikolaiherbst antwortete am 20. Aug, 09:57:
Das ist für Strukturvertriebe ganz sicher illusionär.
Im Gegenteil steht der Erwartungserfüllung des kaschierten Arbeitgebers eine extreme Form der Selbstausbeutung des kaschierten "Freiberuflers" gegenüber, der - jedenfalls gilt das ganz sicher für den AWD - täglich mindestens 15 Stunden arbeitet, sich aber auch j e d e r Anweisung von oben zu fügen hat und allmählich jegliche Selbstbestimmung verliert. Das kann bis zur Zerstörung der individuellen Psyche reichen. Ich selbst habe in den Neunzigern ein sog. Geschäftsstellenleitertreffen miterlebt, bei dem man gemeinsam aufstand - das Ganze erinnerte s e h r an eine nationalsozialistische Parteisitzung, zumindest an eine sektische Großzusammenkunft - und gemeinsam (es waren über 500, vielleicht sogar 1000 Leute im Saal) eine Art "Glaubensbekenntnis" rituell sprach. Ich habe den AWD daraufhin verlassen.
Er sei aber nur stellvertretend hier genannt.

Das Geschehen ist in meinem Roman "Thetis. Anderswelt" zu einem starken Motiv geworden. 
bitter_twisted meinte am 20. Aug, 11:51:
Noch nichtmal Sozies können so verklemmt sein oder?
Die ganze Welt und jede Aktivität eines jeden Menschen als das Resultat einer Ausbeutung zu sehen, bedarf einer starren , schmalspurigen Weltanschauung, die selbst von starrigen, schmalspurigen Sozies noch Übung abverlangen dürfte.

Eure Theorie stammt aus den 19ten Jahrhundert und es ist eindeutig das es keine Entwickelung in den letzten eineinhalb Jahrhunderten gegeben hat. 
albannikolaiherbst antwortete am 20. Aug, 12:21:
Ach je... nicht so bitter, twisted.
Von "Theorie" kann bislang in diesem Dialog noch nicht im entferntesten die Rede sein. Bislang geht es um die Schilderung von Erfahrungen, die Sie, das tut mir ja leid, offenbar nicht machen durften. 
 

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