governing thoughts

Der Bildungsbegriff - Was ist das? Sich diese Frage in der Abschlussphase des Pädagogikstudiums zu stellen, und sich dessen auch völlig bewusst zu sein, hinterlässt ein flaues Gefühl im Magen. Da ich flaue Gefühle in Bäuchen nur unter besonderen Umständen tollerieren kann, musste ich mich damit auseinandersetzten. Hier also meine Gedanken und Interpretation:

Der Begriff Bildung wurde im 19. Jahrhundert eng mit dem der Kultur verknüpft. Das Wechselverhältnis zwischen Selbst und Welt stand im Mittelpunkt, da davon ausgegangen wurde, dass Bildung die Individuen dazu befähigt, Kultur aktiv mitzugestalten. Das Individuum wurde in der idealistischen Vorstellung von Bildung zu vernünftiger Selbstbestimmung befähigt. Bildung verstand sich in erster Linie als Selbstbildung, als reflexiven Prozess auf dem Weg zur eigenen Individualität.

Allen Individuen sollte der Zugang zu Bildung ermöglicht werden, so der egalisierende Gedanke, der sich gegen eine nach Nützlichkeit orientierende Ausrichtung der Bildung auf den Beruf stellte. Dafür wurde der Begriff der Ausbildung gebraucht.

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dieser idealistische Bildungsbegriff zunehmend kritisiert, da er als überhöht und unzeitgemäß betrachtet wurde.
Die Neuorientierungsversuche basierten auf der Annahme, dass Bildung nötig ist, damit sich Menschen immer wieder neues Wissen aneignen können, um in sich ständig verändernden Situationen agieren zu können.
Der Bildungsbegriff zielt somit immer stärker auf Anpassungsleistungen ab und richtet nach den Bedarfen des (Arbeits)marktet aus.
Der Erwerb von „soft skills“ und Schlüsselkompetenzen verweist auf diese Tendenz, da es immer wichtiger wird sich flexibel auf die Anforderungen der Marktordnung einstellen zu können.

Diese Tendenz lässt sich kaum verleugnen. Die Verschiebung der Begriffsbedeutung impliziert weitreichende gesellschaftliche Veränderungen. Das erwünschte Bild des Menschen im 21. Jahrhunderts zeigt das eines aktiven, funktionierenden, flexiblen, risikobereiten, selbstverantwortlichen Subjekts, dass vor lauter Schlüsselkompetenzen kaum mehr in der Lage ist, zu reflektieren oder zu denken.

Damit will ich nicht sagen, dass dies bereits so sei, allerdings sehe ich die Allgegenwärtigkeit dieser Entwicklung. So haben manche Bachelor bzw. Master Studiengänge nur noch wenig mit dem Gedanken der Universität nach Humboldt zu tun.

Mag sein, dass der idealistische Bildungsbegriff für die Gegenwart überholt erscheint, dennoch ist es vielleicht wichtig, nicht zu vergessen, dass Bildung mehr sein kann, als nur die Vorbereitung auf die "Praxis".

Ein Instrument der modernen Gouvernementalität lässt sich als Community-Bildung identifizieren. Durch einen Netzwerkzusammenschluss mit verbindlichen regelmäßigen Treffen, Rundbriefen etc. wird eine Gemeinschaft konstruiert und explizit ein Vergleichsdruck zwischen den einzelnen Mitgliedern etabliert.
Dies wird jedoch nicht als bedrückend empfunden, sondern vielmehr als Supportstruktur: die führenden Einrichtungen sollen als „best-practise“ Beispiele dienen, an denen sich die schlechteren orientieren sollen. Innerhalb dieser communities wird ein Mindeststandart definiert, dessen Einhaltung Voraussetzung für die Teilhabe an der Community ist.

Nach Innen wird durch den Druck der Communities ein qualitätsförderndes Verhalten aufgebaut, während die communities nach Außen, also in Richtung Bildungspolitik, die Definition von Qualität im Weiterbildungsbereich mitbestimmen und mitregieren.

Macht das irgendwie Sinn?

Der Begriff wird in der Literatur unterschiedlich benutzt. Dies liegt unter anderem an dem uneinheitlichen Gebrauch von Foucault selbst.
Gouvernementalität setzt sich semantisch zunächst aus den Begriffen "Regieren" und "Denkweise" zusammen.

Foucault verwendet den Begriff teilweise mit Künsten des Regierens synonym. Er untersucht verschiedene Künste des Regierens zu verschiedenen Zeiten.
Die Gouvernementalität oder die Kunst des Regierens im absolutistischen Staate wird in einer negativen, strafenden und asymmetrischen Machtform repräsentiert.

Mit der Weiterentwicklung von Gesellschaften werden auch die Regierungsweisen von Menschen über Menschen komplexer. Im Neoliberalismus gibt es keinen repressiven Herrscher, der das Volk unterdrückt, hier werden Menschen durch implizite Strategien geführt.

Die Strategie, die sich nicht erst im Neoliberalismus entwickelt hat, zeichnet sich durch ein Einwirken auf das Handeln anderer aus. Menschen werden zu bestimmten Entscheidungen und Handlungen getrieben, ohne dass ein Befehl sie dazu verpflichtet.
Dahinter befindet sich jedoch die implizite Drohung des Scheiterns. Im Neoliberalismus stehen dem Individuum prinzipiell alle Türen offen, so eine allgemeingültige Suggestion.
Du kannst alles schaffen, solange du dich nur anstrengst, ist das Motto vieler "Selbstmanagement"-Ratgeber, wenn du scheiterst, hast du dich nicht genug angestrengt, so der banale Schluss.
Diese neoliberale Argumentation setzt im Prinzip die Erfüllung von Chancengleichheit vorraus, die es de facto allerdings nicht gibt.
Die Gouvernementalität besteht im Neoliberalismus darin, die Individuen zu aktivieren, sie anzuleiten, sie zu motivieren, selbstständig zu werden, da sie gleichzeitig mehr Verantwortung in Form von "flachen Hierarchien"; Projektarbeit u.ä. übertragen bekommen.

Das herrschaftiche Einwirken auf die Selbstführung der Individuen stellt Foucault und seinen Nachfolgern zufolge eine neue? Form der Macht da.
Auch wenn Repressionen im Vergleich zum souveränen Staat weniger spürbar werden, äußert sich die Macht auf anderen Ebenen. Sie hilft bei der Produktion eigenverantwortlicher Individuen.

Möge die Macht mit euch sein =)

Auzüge aus der (Diplom)Arbeit:

Aus der Ausrichtung des Arbeitnehmers auf das Selbst resultiert ein neues Ausbeutungsverhältnis. Der passive Arbeiter unterstand noch der direkten Kontrolle und Macht des Vorgesetzten, der die Möglichkeit hatte, unmittelbar über ihn zu verfügen, diese Form der Ausbeutung tendiert heute zur Selbstausbeutung, da die direkte Einflussnahme durch den Chef entfällt. Entscheidungsträger sind nicht mehr eindeutig identifizierbar und der Arbeitnehmer muss das Unternehmen dem Kunden gegenüber eigenständig repräsentieren. Der Selbstunternehmer agiert somit unter erheblichem Erwartungsdruck, da ihm zwar die Verantwortung, aber keine klaren Handlungsanweisungen übergeben werden. (vgl. Langemeyer)

Daraus folgt, dass es dem Arbeitnehmer nur schwerlich möglich ist, sich Grenzen der eigenen Arbeit zu setzen, da diese, wie seine eigene Persönlichkeit prinzipiell optimierbar bleibt.
Das Modell des flexiblen Selbstunternehmers bleibt jedoch nicht auf den Arbeitsmarkt beschränkt, sondern wird als zu verwirklichender Lebensstil angepriesen.

„Aus diesem Grund greift die Selbstverwaltung des individuellen Humankapitals auch weit über das Berufsleben hinaus und kennt weder Feierabend noch Privatsphäre.“
Ulrich Bröckling. Gouvernementalität der Gegenwart 2000. S. 155

Durch die Risikorationalität des Neoliberalismus ist die Moral vielfältigen Veränderungsprozessen unterworfen. Den Balast von präskriptiven Wert- und Normvorstellungen scheint sie abgeworfen zu haben, um Platz für Leistungs- und Erfolgsorientierung zu schaffen.
Der Erfolgreiche hat die Moral auf seiner Seite. Eine Figur wie zum Beispiel Sankt Martin wäre im Neoliberalismus nicht nur ineffizient, da er seinen Mantel mit einem Bettler teilt, sondern auch unmoralisch, da er sich nicht nach Leistungskriterien orientiert.
Ein gesellschaftlich-dynamisches Erklärungsmodell für Massenphänomene wie Arbeitslosigkeit oder die Benachteiligung bestimmter Randgruppen kann in dieser Argumentationslinie verabschiedet werden, da Arbeitslose über nicht ausreichende Kompetenzen zur Selbstführung verfügen und demnach moralisch selber Schuld sind.
Dahinter steht die magische Suggestion, dass jede(r) Tellerwäscherin alles erreichen kann, wenn er/sie sich nur richtig anstrengt.

Ok, damit nix verlorengeht ... Wie war das mit Freiheit im Liberalismus?

Freiheit ist nicht natürlich gegeben, sondern wird produziert und geformt. (von wem?) Die Subjektivierung von Individuen nimmt sich ein freiheitliches, interessengeleitetes Subjekt der Begierde zum Vorbild. Das Subjekt erhält die Verantwortung, rational mit seiner Verantwortung umzugehen. Scheitern kann als der falsche Gebrauch der eigenen Freiheit gesehen werden.

Wenn nun aber die Freiheit ein geformtes, künstlich produziertes Konstrukt ist, ist diese zwangsläufig permanent gefährdet. Die Konsequenz daraus sind Sicherheitsmechanismen, die Freiheiten regulieren und begrenzen müssen, um Stabilität herzustellen, bzw. um Instabilitäten zu regieren.

Das bedeutet, das Freiheit im Liberalismus nicht ohne Sicherheit zu denken ist.
Im Neoliberalismus, welcher mit ähnlichen Prämissen argumentiert, und vor allem in "Zeiten des Terrors" nimmt die Produktion von Freiheit deutliche Konturen an. (oder etwa schon im Liberalismus?) Es wird eine Entscheidungsfreiheit proklamiert, die es faktisch nicht gibt. Freiheit bedeutet möglicherweise zwischen a. oder b. zu entscheiden. Doch ist das noch Freiheit?

Sichherheit hingegen wird mehr denn je GROSS geschrieben. Überwachungskameras und biometrische Scans am Frankfurter Flughafen werden durch den Freiheit-Sicherheitskomplex legitimiert. Es wird bewusst in die Freiheit aller eingegriffen, um die Sicherheit aller zu gewährleisten.

In einer Zeit in der die politischen Grenzen zwischen Rechts und Links verschwimmen, die Mitte der Weg zum Ziel wird, hält einen die vorherrschende Moral und Mentalität dazu an, sich unternehmerisch günstig zu positionieren, sich aufzuraffen und das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen.

Dieser Selbstsorgeimperativ kann als Resultat einer Verantwortungsübertragung von Herrschaftstechnologien, zu deren Varianten die Politik zu zählen ist, zu Selbsttechnologien, in deren Bereich die Ethik fällt, gesehen werden.
Beide Technologien sind Machtmechanismen, ersterer eher repressiv, denn flexible Machtbeziehungen werden hier in starren Herrschaftsformen institutionalisiert. Der zweite Mechanismus ist produktiv, da Individuen (auch) durch Selbstsorge-Praktiken subjektiviert werden.

Das so produzierte unternehmerische Selbst kann sich nicht mehr auf einen moralischen oder politischen Hintergrund berufen. Die Moral der Selbstsorge wird von einer Politik der Ich-Ag gestützt.
Scheiternde Ich-Agenten werden nicht mehr als mögliche Opfer in der Sichherheit der Moral aufgefangen, sondern werden moralisch für ihre mangelnde Selbstsorge und Prävention sanktioniert.
puh
Mit diesen Supjektivierungsprozessen und anderen Problematiken beschäftigen sich diese Texte, die von Autoren, die sich mit dem Konzept oder den Auswirkungen der Gouvernementalität auseinander gesetzt haben.

Die Texte werden im Rahmen eines Projektes veröffentlicht, und das hört sich doch mal ganz ok an:
k3000 is a temporary coalition of different individuals, all cultural producers, like musicians, artists, graphic and Internet designers, journalists, curators and critics based in Zurich.
k3000


Schon schön, zu wissen, dass sehr viele gute Texte im Netz stehen =)

Heute hab ich mich mit der Differenzierung von Herrschaft und Macht bei Foucault mehr oder weniger "wachsam" auseinandergesetzt.

Freiheit wird als konstitutives Element der Macht definiert. Macht werde nur - in Form von indirektem Einwirkungen auf das Möglichkeitsfeld - auf freie Subjekte ausgeübt. Bei der Ausübung von Machtbeziehungen stehen dem Subjekt demnach immer alternative Reaktions- oder Handlungsformen zur Verfügung.

Herrschaft zeichnet sich durch eine institutionalisierte Form von Macht aus. In Herrschaftzuständen wird eine anhaltende Asymmetrie - unabhängig von Freiheit - etabliert.

Hmmm....Mit dem im Alltag gebräuchliche Begriff der Macht ist nach Foucault eher Herrschaft gemeint. Macht sind die "strategischen Spiele" die einer Gesellschaft innerlich sind. Damit verbunden ist der Gedanke, dass Macht durch ihr elementares Freiheitsmerkmal und die damit verknüpften Handlungsalternativen, immer die Möglichkeit zum Widerstand bietet.
Herrschaft nicht.

Das glaub ich aber nicht und Paule, glaub ich, auch nicht.
Wenn nun das Regierungsdenken als Scharnier zwischen den Technologien des Selbst und den Herrschaftstechnologien fungiert, und die Herrschaftstechnologie mit der Hervorbringung bestimmt gearteter Subjekte, Subjektivierungsformen arbeiten, bietet sich doch in alternativen Subjektivierungsformen eine Möglichkeit zum Widerstand.

Nur welche Formen wären da nur möglich? In der meistproduzierten Subjektivierung werden Individuen als "Unternehmer ihrer selbst" konstruiert. Was könnte man dem in einer Zeit der Eigenverantwortung und Selbstbestimmteheit entgegensetzen?

nach Lemke bzw. Foucault.

Der Begriff der Regierung ist hier nicht im Sinne einer staatlichen Regierung zu verstehen, sondern vielmehr als eine Praktik, Menschen zu führen.
Die Regierung, die Führung von Menschen, wird in Form von vorherrschenden Rationalitäten repräsentiert. Diese Rationalitäten üben Machtpraktiken - in welcher Form auch immer - aus. Gebildet werden sie durch Problematisierungen, d.h. durch bestimmte Formen von Wahrheits- und Problemproduktionen.
Weiterhin bietet der Regierungsbegriff als Folge die Strukturierung von Interventionen an.

puh. und jetzt mal anschaulich:

Die Unis sind überfüllt und schlecht organisiert. Fakt. Die Bildungsmöglichkeiten an der Universität werden nun in einem mehr oder minder breiten Diskurs problematisiert. Von verschiedenen Lösungsangeboten setzen sich einige, die den meisten Anklang in der bereits vorherrschenden Rationalität haben, durch. Die Problematisierung hatte zur Folge, das ein Bild von einen faulen Studenten konstruiert wurde, dem eine Teilschuld an der Belastung der Uni zugeschrieben werden konnte.
Das Interventionschema wurde durch herrschaftliche Machtpraktiken (zumindest in Hessen) in Form des Stugug durchgesetzt. Die faulen (Langzeit)Studenten müssen nun bezahlen. In der breiten Bevölkerung scheint diese Rationalität als Realität anerkannt zu haben.

Die Realität sieht allerdings anders aus.

 

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