gibt es möglicherweise beim Kongress zu Reproduktionsbedingungen und Perspektiven kritischer Theorie der sich mit Kritischer Wissenschaft, Emanzipation und der Entwicklung der Hochschulen befasst.
Der Kongress findet vom 1. -3. Juli im Studierendenhaus des Bockenheimer Campus an der Goethe-Universität in Frankfurt statt.

Nachdem vor kurzer Zeit ein Bekannter zu mir sagte, dass die Universität kein Ort mehr sei, von dem aus wirksame Gesellschaftskritik geübt werden könne, frage ich mich wo dieser Ort denn sein könnte.

Die Universitäten werden ökonomisiert und mit der Bachelor- und Masterumstrukturierung europäisiert. Kritik bedeutet hier in vielen Fällen, sich "Freiheitsspielräume" zu erhalten, um so bei der Umstruktierung nicht diejenigen Inhalte in der Lehre zu verlieren, die sich nicht durch einen späteren ökonomischen Nutzen seitens der "Universitätskunden" (formerly known as Studenten) auszeichnen.

Auch Foucaults Konzeption von Kritik und Widerstand als "Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden", also andere Selbstkonzeptionen als die nahegelegten, wie die des rationalen "Selbstunternehmers" oder der "Ich-AG", zu leben, erscheint mir irgendwie zu schwach.

Wo bitteschön ist den der Ort der Kritik, wenn die öffentlichen Universitäten noch stärker zu Massenbetrieben und die Privaten zu Eliteuniversitäten transformiert werden?

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Aber vielleicht bietet dieses Buch Perspektiven. Kennt das zufällig jemand? Ich bin gerade beim recherchieren auf den Link gestoßen...

Nach einem Wahlsieg will die Kanzlerkandidatin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel Deutschland mit einer „Politik ohne Angst“ reformieren. In einer Grundsatzrede beim Festakt zum 60. Jahrestag der Gründung der CDU am Donnerstag in Berlin sagte Merkel: „Politik mit Mut - das ist heute erneut angesagt.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 16. Juni 2005, 20:14 Uhr

Na das fällt ja wohl auch mal wieder unter die Kategorie "Und was bitteschön soll das sein?" Politik ohne Angst?

Von welcher Art von Angst reden wir?

Von Angst, Stoiber den Rang abzulaufen? Von Angst, tatsächlich die ein oder andere Fehlentscheidung zu treffen, von Angst, dass Steuerreformen unvorhersehbare Veränderungen hervorrufen könnten oder von Angst, vom Volk nicht geliebt oder gar nicht ganz ernst genommen zu werden?

Reden wir über Angst als strategisches und politisches Kalkül:
Angst ist ein durchaus beliebtes und ich würde sagen auch neoliberales (wobei: nicht ausschließlich) Mittel von Regierungsmentalitäten. Wurde dies nicht mit Projekten wie Home security eindrucksvoll vorgeführt? War da nicht auch was mit Frau Merkel und einer Behörde für Heimatssicherheit, oder irre ich mich da?
Angst bzw. Angst in der Bevölkerung zu produzieren (drohender Krieg, Arbeitslosigkeit oder Terror) kann und wird strategisch als politische Praktik eingesetzt. Dann im Wahlkampfjargon von einer Politik ohne Angst zu sprechen halte ich aus meiner Perspektive für höchst suspekt.

Kann man das so sagen?

Weblogs stehen als postmodernes Medium für die Pluralität von Wahrheiten und Informationen.

Persönliche Notiz: (fast) Jeder Einkaufsladen auf der Zeil in Frankfurt hat einen.

In meiner Diplomarbeit, die ich nun endlich hier veröffentliche, geht es um eine bestimmte Form der „Gouvernementalität der Gegenwart“.

Julia Franz: Die Regierung der Qualität. Eine Rekonstruktion neoliberaler Gouvernementalität am Beispiel von Qualitätsmanagement in der Erwachsenen- und Weiterbildung (PDF, 1096kb)

Im ersten Teil wird die Machtanalytik Michel Foucaults skizziert. Der produzierende Charakter von Macht und die Frage, wie aus Individuen Subjekte gemacht werden, steht dabei im Vordergrund. Seine Hinwendung zur "Gouvernementalität", zur Kunst des Regierens und Führens von Menschen wird dadurch nachvollziehbar.

Anschließend werden die an ihn anschließenden Governmentality Studies thematisiert. Die zentrale neoliberalen Regierungselemente werden einzeln vorgestellt und diskutiert. Die Regierungselemente, wie die Anwendung bestimmter Vorstellungen von zum Beispiel Moral, Sicherheit und Verantwortung, stellen die Führung von Menschen ohne direkten Zwang sicher. Vielmehr sind es indirekte Mechanismen, die dem Individuum Selbstführungs- und Selbstoptimierungsstrategien nahelegen.

Im anschließenden Kapitel werden diese Elemente auf meinen Gegenstand, die Regierung der Qualität, übertragen. Innerhalb der Einführung von Qualitätsmanagementverfahren im Bildungsbereich lassen sich politische Technologien wie Dokumentationsmethoden und Subjektivierungspraktiken identifizieren.

Der Zusammenhang von Qualitätsmanagement, neoliberalen Rationalitäten und Macht soll anhand einiger zentraler Praktiken der neoliberalen Führung - zum Beispiel Responsibilisierung oder Subjektivierung - im Bildungsbereich verdeutlicht werden. Die Fragen, wie aus Teilnehmern Kunden und aus Einrichtungen Unternehmen werden bildet einen Kernpunkt der Arbeit.

Über Feedback, Anregungen und Kommentare würde ich mich sehr freuen, da ich mich auch weiterhin mit der Gouvernementalität beschäftige. Gerade bereite ich eine mögliche Dissertation mit diesem Theoriehintergrund vor und bin dankbar für Bemerkungen jeder Art.

Bilder von mir gibts hier. Den Bericht und mehr links zu mehr Bildern im Protest Blog.

Sascha Schierz beschreibt in seinem Artikel Jetzt wird es uns aber zu bunt hier“ – Graffiti und das Imaginieren sozialer Kontrolle die Herausbildung einer "Sicherheits(irr)rationalität" anhand der Thematisierung von Grafitti als "Umweltschädigung" oder "Bedrohung". Als Folge der konstruierten Gefahr können broken-windows Theorien und die New Yorker "vandal squads" gesehen werden. Die Polizei braucht allerdings weitere Unterstützung, um die Bedrohung durch die Sprayer überwachen und kontrollieren zu können.

Die Polizei nimmt dabei immer noch die Aufgabe der Intervention als Teil der Strafverfolgung wahr. Das Polizieren geht allerdings weit über eine genuin ´repressive´ Tätigkeit hinaus. Über Öffentlichkeitsarbeit versucht man die Bürger in die Polizeiarbeit zu integrieren, einen kontrollierenden Blick oder die bei Nacht getrübte Sicht der Kontrolleure auszuweiten. So weit zur Kontrolle im Realitätsprinzip.
Sascha Schierz: "Jetzt wird es uns aber zu bunt hier“ – Graffiti und das Imaginieren sozialer Kontrolle"

Dies führt dann zu einer nachhaltigen gegenseitigen Überwachung oder positiver formuliert: zur sozialen Kontrolle.
Und das ganze nennt man dann wohl Responsibilisierung.

Prädikat: Sehr lesenswerter Artikel!

Als ich heute Abend meinen Neffen (4) ins Bett gebracht habe, erklärte er mir wie das den mit den Autos so ist. Wo die so herkommen, die kleinen Autos. Er meinte der Henry Ford, der hätte da was mit zu tun. Vorher mussten alle Autos einzeln gebaut werden. Dann hat der Henry Ford das Fließband "gemacht" und seitdem geht das ganz schnell.

Vielleicht frag ich ihn mal, ob er vielleicht weiß, was postfordismus ist =)

Der Sozialwissenschaftler Aldo Legnaro bezieht sich in seinem Artikel explizit auf Foucaults Konzept der Heterotopie, das dieser im Zusammenhang mit dem Begriff der Utopie konzipiert. So sei die Heterotopie eine verwirklichte Utopie.
Es gibt gleichfalls – und das wohl in jeder Kultur, in jeder Zivilisation – wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtungen der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplazierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können.
( FOUCAULT, MICHEL (1999b): Andere Räume. In: Engelmann, Jan (Hg.):Botschaften der Macht. Der Foucault-Reader. Diskurs und Medien. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt. S.149)

Heterotopien stehen für »Orte der Andersheit« innerhalb des eigentlichen Gesellschaftsraums und sind zum Teil als Gegenbilder zur Gesellschaft zu verstehen. Foucault selbst nennt verschiedene Formen von Heterotopien, wie zum Beispiel: Kliniken, Gefängnisse, Museen, Kolonien oder Friedhöfe (vgl. ebd. S. 150 ff.).

Innerhalb der Governmentality Studies wird dieser Begriff nur begrenzt rezitiert. Susanne Krasmann und Henning Schmidt-Semisch greifen das Konzept aus kriminologischer Perspektive auf. »Orte der Andersheit« werden hier als neue Inklusions- bzw. Exklusionsmechanismen aufgedeckt. Der öffentliche Raum wird aus dieser Perspektive durch marginalisierte Randgruppen »belästigt« bzw. das ordnungspolitische Bild vom öffentlich zugänglichen Raum ist durch sie gefährdet.

Wenn es eine Belästigung des öffentlichen Raum durch drogenkonsumierende Personen gibt und wenn es sich gleichzeitig als unrealistisch erwiesen hat, Heroinkonsum in nennenswertem Maße zu verhindern, dann besteht eine gleichermaßen Erfolg versprechende wie ökonomische Maßnahme darin, einen bestimmten Teil des Raums abzutrennen, ihn als »Ort der Andersheit« zu deklarieren, das belästigende Verhalten an diesem Ort zu konzentrieren und damit die Abweichung gleichsam »kontrolliert« zu neutralisieren. (SCHMIDT-SEMISCH, HENNING (2000): Selber schuld. Skizzen versicherungs-mathematischer Gerechtigkeit. In: Lemke, Thomas et al (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 181)
Die Ausschließung bzw. Zusammenschließung in bestimmten Räumen führt zur Etablierung von Orten der Risikogleichheit, die als »integrierende Exklusionstechnologien« bestimmte Formen von Communities begründen .
Heterotopien, die sich nun auf die räumliche Verwaltung von Risikogruppen beziehen, verweisen auf die Eigenschaft der Sichtbarkeit.
Die Gesundheit ist das sichtbare Zeichen einer guten Lebensführung. Krankheit ist das sichtbare Zeichen für den falschen Gebrauch des eigenen Lebens .
Der Täter wird in der Kriminologie seiner Biographie beraubt, um aus den Bündeln sichtbaren Verhaltens einen »Tätertypen« zu kategorisieren.

Indem bestimmte Risikoprofile in dafür vorgesehenen Räumen zusammengeschlossen werden, verliert die Öffentlichkeit diese sowie deren Kontrolleure, aus dem Blickfeld und wiegt sich in vermeintlicher - zumindest sichtbarer - Sicherheit.

Nebenbei verschwindet mit dem sichtbaren Problem auch seine Kontrolle von der Straße, und im Zweifel bedeutet das für die auf diese Art Kontrollierten, dass ihre Existenz teilweise sogar ignoriert werden kann, wenn die entsprechenden Unsichtbarkeitsbedingungen geschaffen werden. (ebd. S. 181)

Gerade diese Sichtbarkeitsorientierung verschärft die Hinwendung zu Fitnessmaximen, die im Neoliberalismus als Neuauflage sozialdarwinistischer Tendenzen operieren. Survival of the fittest wird durch Mechanismen der Konkurrenz, die generell als leistungssteigernd gelten verfestigt. Survival of the fittest ist per se ein produktiver Prozess, da Lebewesen sich für die Sicherung ihres Überlebens aktiv fit halten müssen.

Die Konsequenz für die Disziplin der Erziehungswissenschaft ist nun, dass ihr sowie der Erwachsenen- und Weiterbildung - stark vereinfacht ausgedrückt - die Aufgabe zukommt, kompetente Einzelkämpfer zu trainieren. Diese müssen sich durch Employability auf dem Markt behaupten können und benötigen eher den Erwerb von kurzfristig verwertbaren Kompetenzen, als starre (Aus)Bildungsprozesse.

Zertifizierungsstrategien und aus der Industrie übernommene Qualitätsmanagement-systemen illustrieren den Zusammenhang von Sichtbarkeit und Sozialdarwinismus auf der Ebene von kollektiven Subjekten. Von sichtbaren Zeichen der Qualität - den Zertifikaten - erhoffen sich Weiterbildungsanbieter, Marktanteile sichern zu können. Diese müssen aktives Management betreiben, müssen fit sein, um in der konkurrierende Wettbewerbssituation zu bestehen.

 

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