Der britische Premierminister hat sich heute in aller Form bei den Angehörigen des aus Versehen von Anti-Terror-Einheiten erschossenen Brasilianers entschuldigt. "Wir sind alle tieftraurig", sagte Blair.
spiegel.de
Sind wir, in der Tat.
Die Angst vor einem erneuten Bombenanschlag und das panische Bemühen, dies zu verhindern mag als Erklärung für eine "Verfolgung" dienen. Aber dass der Brasilianer "am Boden liegend mit fünf Kopfschüssen getötet wurde" kann ich einfach nicht fassen.
Gerade diese Praktik wird von der britischen Polizei verteidigt:
Zu gezielten Todesschüssen gebe es aber keine Alternative, wenn der Attentäter einen Sprengstoffgürtel am Körper trage. „Die einzige Möglichkeit ist ein Kopfschuß“, sagte der Scotland Yard-Chef, weil bei Brustschüssen eine Explosion ausgelöst werden könne.Die Welt Was ist mit Schultern oder Beinen? Blair verweist ebenso auf die ambivalente Situation der Polizisten:"Hätte sich der Verdächtige als Terrorist herausgestellt und hätten die Beamten bei ihrem Einsatz versagt, würden sie jetzt ebenfalls kritisiert werden", sagte Blair
spiegel.de
Hätte, wenn und aber...
Fakt ist, dass einem Menschen, der aufgrund des kühlen - im Vergleich zum brasilianischen - Klimas einen Mantel trug, und daher verdächtig erschien, FÜNF MAL in den Kopf geschossen wurde.

Zeigt sich in solchen Reaktionen und Legitimationen nicht die Hilflosigkeit gegen Terrorismus vorzugehen? Die vorläufige Lösung jeden, der verdächtig aussieht, mit Kopfschüssen ins jenseits zu befördern kann doch keine Anti-Terror-Strategie sein? Oder meinen DIE das ernst?
Ich glaube weder, dass man Terrorismus durch Totalüberwachung noch durch wahlose Verdachtstötungen bekämpfen oder gar verhindern kann. Vielmehr sollte man sich intensiv mit der Ursache und Genealogie des Terrorismus öffentlich auseinandersetzen.

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bitter_twisted meinte am 26. Jul, 17:29:
Es tut uns leid, wir machen unser Quatsch trotzdem weiter
Wir wissen nicht wer die Bomben gelegt hat. In der Presse wird schnell Jemand zu einen Selbstmordattentäter aber sie sind unter den Terroristen ziemlich in der Minderheit und wenn wir es nicht wissen, haben wir bessere Changsen richtig zu raten wenn wir davon aus gehen das es keine SMA`s waren. Demnach macht es auch kein Sinn jeden der für das Wetter zu warm bekleidet ist durch Kopfschuss zu erledigen.
London ist die meist überwachte Stadt der Welt, trotzdem konnten die Attentäter das gleiche gleich zweimal vorführen, die behauptung die Täter sind tot, paßt der Polizei ziemlich im Kram. 
haftgrund meinte am 26. Jul, 23:21:
nicht nur des Terrorismus
Claus Philipp schreibt im "Standard" unter dem Titel "Fatale Antriebsfeder Angst":
(...) Vor solchen Hintergründen erscheinen dieser Tage "entschlossene" Politikermienen wie jene von Tony Blair oder George W. Bush wie mühsam verhohlene Verfallserscheinungen von Macht. Historische "Vorbilder" dafür gibt es zur Genüge: Man lese nur Philipp Bloms jüngst erschienenes Buch Das vernünftige Ungeheuer, in dem das mühsame Ringen der französischen Aufklärung gegen zunehmend bizarre, totalitär auf Selbstverteidigung fixierte, religiöse und monarchistische Fundamentalismen beschrieben wird.

Oder: Michel Foucaults Vorlesungen zur Geschichte der Gouvernementalität, in denen der Philosoph, ebenfalls anhand historischer Entwicklungen, nachweist, wie gefährlich es sein kann, Normalität mit Normierung, Sicherheit mit Disziplin zu verwechseln. Der Preis dafür mag jenen, die demnächst vielleicht ihre Aktentaschen in der U-Bahn durchchecken lassen müssen, noch akzeptabel erscheinen. Er wird aber zweifelsohne weiter steigen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.7.2005)
http://derstandard.at/?url=/?id=2123718 
Lia antwortete am 27. Jul, 16:05:
Hm...
ich lese grade auch in die Vorlesungen von Foucault rein, bin aber noch nicht sehr weit. Warum ist es "gefährlich" die Konstruktionen zu verwechseln? Was sind die Konsequenzen? 
haftgrund antwortete am 28. Jul, 03:39:
beim ersten Lesen des Artikels
habe ich es mal so verstanden, dass das Antiterror-Aktentaschenchecken als eine a-normale aber angesichts einer aktuellen Gefahrenlage durchaus legitime Maßnahme angesehen werden kann; ebenso a-normal wie das Ereignis, das bekämpft werden soll.
Was aber auch heißt, dass diese Maßnahme, besser, das Bündel von Maßnahmen mit dem Ende der akuten Bedrohung wieder verschwindet.
Die Wahrheit ist vielmehr, dass mit dem Maßnahmenbündel nichts Singuläres geplant ist, sondern ein Normierungspaket zur Herstellung einer neuen Normalität.
Ebenso scheint die Disziplinierung einzelner Verhaltensweisen (trage keinen Rucksack in der U-Bahn und friere lieber mantellos) als Element eines Öffentlichen Sicherheitsbildes fixiert zu werden.
Die Gefährlichkeit bestünde demnach in der durch die ideologische Vernebelung erreichte höhere Akzeptanz von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen, ganz allgemein von Freiheitseinschränkungen.

Beim zweiten Lesen bin ich mir nicht sicher, ob C.P. das auch so gemeinthat bzw. ob der Verweis auf Foucault in diesem Zusammenhang zutrifft. Habe die 2 Bände bislang immer nur stückweise und quer gelesen, wüßte nicht, wo das stehen sollte, insbesondere die Formulierung mit der Gefährlichkeit eher untypisch für F. ist.


Just vorgestern haben die Wr. Verkehrsbetriebe den Probebetrieb von Überwachungskameras in U-Bahnzügen verlautbart. Diese Kameras sind in der letzten Generation der U-Bahngarnituren bereits serienmäßig eingebaut und ca. 1 Jahr lang nicht in Betrieb genommen worden, weil es innerhalb der WVB u.a. Bedenken wegen der Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung gegeben hat... 
Lia antwortete am 28. Jul, 19:50:
Foucault
geht in einer der ersten 5 Vorlesungen (weiss grad nicht welche) auf die jeweiligen Unterschiede ein. Während die Disziplin versucht, das "Normale" herzustellen (Normierung), geht das Sicherheitsdispositiv vom empirisch "Normalen" (Normalisierung) aus. Überwachung ist empirisch mit Sicherheit normal, was, wenn dies Terror auch wird? 
 

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