haftgrund meinte am 26. Jul, 23:21:
nicht nur des Terrorismus
Claus Philipp schreibt im "Standard" unter dem Titel "Fatale Antriebsfeder Angst":(...) Vor solchen Hintergründen erscheinen dieser Tage "entschlossene" Politikermienen wie jene von Tony Blair oder George W. Bush wie mühsam verhohlene Verfallserscheinungen von Macht. Historische "Vorbilder" dafür gibt es zur Genüge: Man lese nur Philipp Bloms jüngst erschienenes Buch Das vernünftige Ungeheuer, in dem das mühsame Ringen der französischen Aufklärung gegen zunehmend bizarre, totalitär auf Selbstverteidigung fixierte, religiöse und monarchistische Fundamentalismen beschrieben wird.
Oder: Michel Foucaults Vorlesungen zur Geschichte der Gouvernementalität, in denen der Philosoph, ebenfalls anhand historischer Entwicklungen, nachweist, wie gefährlich es sein kann, Normalität mit Normierung, Sicherheit mit Disziplin zu verwechseln. Der Preis dafür mag jenen, die demnächst vielleicht ihre Aktentaschen in der U-Bahn durchchecken lassen müssen, noch akzeptabel erscheinen. Er wird aber zweifelsohne weiter steigen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.7.2005)
http://derstandard.at/?url=/?id=2123718
Lia antwortete am 27. Jul, 16:05:
Hm...
ich lese grade auch in die Vorlesungen von Foucault rein, bin aber noch nicht sehr weit. Warum ist es "gefährlich" die Konstruktionen zu verwechseln? Was sind die Konsequenzen?
haftgrund antwortete am 28. Jul, 03:39:
beim ersten Lesen des Artikels
habe ich es mal so verstanden, dass das Antiterror-Aktentaschenchecken als eine a-normale aber angesichts einer aktuellen Gefahrenlage durchaus legitime Maßnahme angesehen werden kann; ebenso a-normal wie das Ereignis, das bekämpft werden soll. Was aber auch heißt, dass diese Maßnahme, besser, das Bündel von Maßnahmen mit dem Ende der akuten Bedrohung wieder verschwindet.
Die Wahrheit ist vielmehr, dass mit dem Maßnahmenbündel nichts Singuläres geplant ist, sondern ein Normierungspaket zur Herstellung einer neuen Normalität.
Ebenso scheint die Disziplinierung einzelner Verhaltensweisen (trage keinen Rucksack in der U-Bahn und friere lieber mantellos) als Element eines Öffentlichen Sicherheitsbildes fixiert zu werden.
Die Gefährlichkeit bestünde demnach in der durch die ideologische Vernebelung erreichte höhere Akzeptanz von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen, ganz allgemein von Freiheitseinschränkungen.
Beim zweiten Lesen bin ich mir nicht sicher, ob C.P. das auch so gemeinthat bzw. ob der Verweis auf Foucault in diesem Zusammenhang zutrifft. Habe die 2 Bände bislang immer nur stückweise und quer gelesen, wüßte nicht, wo das stehen sollte, insbesondere die Formulierung mit der Gefährlichkeit eher untypisch für F. ist.
Just vorgestern haben die Wr. Verkehrsbetriebe den Probebetrieb von Überwachungskameras in U-Bahnzügen verlautbart. Diese Kameras sind in der letzten Generation der U-Bahngarnituren bereits serienmäßig eingebaut und ca. 1 Jahr lang nicht in Betrieb genommen worden, weil es innerhalb der WVB u.a. Bedenken wegen der Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung gegeben hat...
Lia antwortete am 28. Jul, 19:50:
Foucault
geht in einer der ersten 5 Vorlesungen (weiss grad nicht welche) auf die jeweiligen Unterschiede ein. Während die Disziplin versucht, das "Normale" herzustellen (Normierung), geht das Sicherheitsdispositiv vom empirisch "Normalen" (Normalisierung) aus. Überwachung ist empirisch mit Sicherheit normal, was, wenn dies Terror auch wird?