Ostracised meinte am 19. Aug, 09:54:
Die Tendenz zu mehr Verantwortung impliziert aber nun eine detailliertere Strukturierung des Verhandlungsprozesses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das vereinbarte Ausmaß an Leistung. Die Sorge, den Arbeitsplatz oder die Marktanteile zu verlieren einerseits, andererseits die Sorge, für die vereinbarte Entlohnung zu viel zu leisten, treibt die Subjekte dazu an, sich bedingt für ihre Projekte einzusetzen und andererseits persönliche Freiräume zu erarbeiten, die den Interessen des Arbeitgebers durchaus entgegenstehen können. Der Arbeitgeber nimmt dies in Kauf, da hochwertige kreative Leistung nicht erzwungen werden kann. Aus der einseitigen Ausbeutung durch den Vorgesetzten wird eine bidirektionale Ausbeutung, die einem Gleichgewicht von Erwartungserfüllung zustrebt. ;-)
albannikolaiherbst antwortete am 20. Aug, 09:57:
Das ist für Strukturvertriebe ganz sicher illusionär.
Im Gegenteil steht der Erwartungserfüllung des kaschierten Arbeitgebers eine extreme Form der Selbstausbeutung des kaschierten "Freiberuflers" gegenüber, der - jedenfalls gilt das ganz sicher für den AWD - täglich mindestens 15 Stunden arbeitet, sich aber auch j e d e r Anweisung von oben zu fügen hat und allmählich jegliche Selbstbestimmung verliert. Das kann bis zur Zerstörung der individuellen Psyche reichen. Ich selbst habe in den Neunzigern ein sog. Geschäftsstellenleitertreffen miterlebt, bei dem man gemeinsam aufstand - das Ganze erinnerte s e h r an eine nationalsozialistische Parteisitzung, zumindest an eine sektische Großzusammenkunft - und gemeinsam (es waren über 500, vielleicht sogar 1000 Leute im Saal) eine Art "Glaubensbekenntnis" rituell sprach. Ich habe den AWD daraufhin verlassen. Er sei aber nur stellvertretend hier genannt.
Das Geschehen ist in meinem Roman "Thetis. Anderswelt" zu einem starken Motiv geworden.