Lesen!

Die Wahrheit befindet sich irgendwo dort draußen, doch die Lügen köeben in unserem Kopf
Terry Prattchet, Schweinsgallopp (Hogfather), 1996, S.205

Sascha Schierz beschreibt in seinem Artikel Jetzt wird es uns aber zu bunt hier“ – Graffiti und das Imaginieren sozialer Kontrolle die Herausbildung einer "Sicherheits(irr)rationalität" anhand der Thematisierung von Grafitti als "Umweltschädigung" oder "Bedrohung". Als Folge der konstruierten Gefahr können broken-windows Theorien und die New Yorker "vandal squads" gesehen werden. Die Polizei braucht allerdings weitere Unterstützung, um die Bedrohung durch die Sprayer überwachen und kontrollieren zu können.

Die Polizei nimmt dabei immer noch die Aufgabe der Intervention als Teil der Strafverfolgung wahr. Das Polizieren geht allerdings weit über eine genuin ´repressive´ Tätigkeit hinaus. Über Öffentlichkeitsarbeit versucht man die Bürger in die Polizeiarbeit zu integrieren, einen kontrollierenden Blick oder die bei Nacht getrübte Sicht der Kontrolleure auszuweiten. So weit zur Kontrolle im Realitätsprinzip.
Sascha Schierz: "Jetzt wird es uns aber zu bunt hier“ – Graffiti und das Imaginieren sozialer Kontrolle"

Dies führt dann zu einer nachhaltigen gegenseitigen Überwachung oder positiver formuliert: zur sozialen Kontrolle.
Und das ganze nennt man dann wohl Responsibilisierung.

Prädikat: Sehr lesenswerter Artikel!

Das Glossar der Gegenwart bietet eine Ansammlung von Deutungen der neoliberalen Euphemismen und and anderen Wortverdrehereien. Die einzelnen kurzen - mitunter zu kurzen- Texte bieten eine Hinterfragung alltäglich gewordener Begrifflichkeiten wie Flexibilität, Prävention, Terror oder Selbstverantwortung.

Es dient somit als kurze Einführung in die einzelnen Thematiken, kann aber durch die Lektüre der Gouvernementalität der Gegenwart zum Teil vertieft werden.
In jedem Fall empfehlenswert!

um ein Buch zu schreiben:
Der Mensch hat immer noch den Fehler, daß er denken kann. Und so ist diese Edition auch mit der vagen Hoffnung verbunden, daß sie geistige Nahrung liefert für eine soziale Bewegung, die noch im Schoß der näheren Zukunft schlummert. Es ist die Hoffnung, daß es bereits heute jede Menge Menschen gibt, die trotz allen Geredes von der "Alternativlosigkeit" der herrschenden Weltordnung den Kapitalismus mit seinen verückten Anforderungen bis oben hin satt haben.
Robert Kurz (2000): Marx lesen. S. 11

Eine gute Hoffnung, wenn auch sehr optimistisch, wie ich finde, aber ich bin gespannt und hoffe mit.

... soll nach Pierre Bourdieu die Widerstandsbewegung gegenüber dem Neoliberalismus behaupten. Er geht davon aus, dass ein europäischer Sozialstaat die anzustrebende Utopie in einer vom Sozialabbau geprägten Realität sei.
Bourdieu verortet den Kern dieser Bewegung in den Gewerkschaften, die sich allerdings selbst in einer Krise befänden.

WOZ: Immer wieder plädieren Sie für eine Rehabilitation des Sozialstaates und der sozialen Errungenschaften der Vergangenheit. Ist das nicht ein ziemlich konservatives Projekt, einfach den Staat zu bewahren, wie er entstanden ist?

Pierre Bourdieu: So etwas habe ich natürlich nie verlangt, das würde meiner ganzen wissenschaftlichen Kritik an diesem Staat widersprechen. Natürlich muss der Staat verändert werden, aber ich glaube, dass es nötig ist, gewisse staatliche Funktionen zu erhalten – Funktionen auf dem Gebiet der Solidarität und der Umverteilung. Die Umverteilung ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates überhaupt: Man erhebt Steuern und Abgaben und verteilt sie neu, auf eine weniger elitäre Weise. Solche Funktionen sind zu bewahren und sogar weiter zu entwickeln! Ausserdem wird der neue Staat ein europäischer Staat sein, kein Nationalstaat mehr, das ändert schon sehr viel.
Vernetzt euch! Interview mit Pierre Bourdieu am 11.5.2000

Bourdieu bleibt in diesem interessanten und aufschlußreichen Interview irgendwie realistisch und optimistisch zugleich. Das hat was!

DIE REGIERUNG zeigt Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, die sich in unterschiedlicher Weise Regierungsschauplätzen nähern. Das Spektrum reicht von detaillierten Fallstudien politischer Handlungsspielräume (zum Beispiel in Ost-Jerusalem oder im Baskenland) bis hin zur Auslotung der Möglichkeiten ästhetischer Erfahrung unter gegenwärtigen Bedingungen. Zu den Anliegen von DIE REGIERUNG zählt zudem die Einbindung von Publikumsgruppen in den Handlungsraum "Ausstellung". Statt einen Parcours zu fixieren, werden die künstlerischen Arbeiten deshalb in ständigem Wechsel gezeigt und im Rahmen unterschiedlicher Diskurse adressiert.
Die Regierung

Auf der Seite finden sich umfangreiche Texte und Tagungshinweise zum Themengebiet der modernen Gouvernementalität.
Prädikat: empfehlenswert.

foucault

Schöne, zum Teil biographische Texte zur Erinnerung an Paule:

Es kommt nicht darauf an, ob man für oder gegen Michel Foucault ist. Es kommt darauf an, was man aus ihm macht.
Stefan Broniowski: Damit es nützt


Michel Foucault glänzte als Denker und Provokateur, als undogmatischer Linker und Gegenspieler Sartres. Er verstand es, sich erfolgreich einer disziplinierten Wissenschaft zu entziehen: Die Philosophie nannte ihn einen Historiker, Historiker sahen in ihm den Philosophen; Marxisten warfen ihm "infantile leftism" vor, weil er, wie er selbst mutmaßte, sich weigerte, die obligatorischen Marx-Zitate in seine Schriften einzuflechten.
Thomas Barth: Das Netz der Macht

der Disziplin, des Selbsts und der Macht schreibt der Philosoph und Gesellschaftswissenschaftler Heinz Steinert im links netz.

Was uns als Flexibilisierung angetragen wird, ist tatsächlich ein enormer Schub an Normierung und Standardisierung unter dem verschärften Druck von Konkurrenz und den zugehörigen Ängsten, die bewältigt werden, indem wir andere in der Hoffnung ausschließen (lassen), dass wir dadurch selbst diesem Schicksal entgehen. Wir müssen uns zusätzlich die Normierung selbst antun und unsere Standardisierung selbst managen – nicht ohne Beratung, versteht sich, von der wir umstellt sind und von der wir gewöhnlich die Normen erst vermittelt bekommen, denen wir mit ihrer Hilfe gerecht werden sollen.

Der „zuverlässige Mensch der Wissensgesellschaft“ hat sich weit von der Unternehmer- und der Arbeiter-Disziplin der industriellen Produktion, von dem entfernt, was ursprünglich „Disziplin“ hieß. Er ist zuverlässig höchstens sich selbst gegenüber in seiner Bereitschaft, sich mit allen Wechselfällen des Lebens zu arrangieren (und die jeweils passende Beratung zu nutzen), in seinem unverdrossenen Willen, alle verlangten Rollen zu spielen und hohe Virtuosität dafür aufzubringen, die Widersprüche auszuhalten und seine eigene „Balance“ zwischen ihnen geschickt zu managen. Seine Zuverlässigkeit ist eine Selbstdisziplin zweiter oder dritter Ordnung.
H. Steinert: Neue Flexibilität, neue Normierungen:
Der zuverlässige Mensch der Wissensgesellschaft

Ein, wie ich finde, gelungener und kritischer Artikel über die Entwicklung der Selbstdisziplin, von deren instutionalisierten Beginn in Klöstern, bis hin zur Transformation zum neoliberalen Selbstmanagement.

Im Gegensatz zum technizistischen Begriff der Informationsgesellschaft eröffnet "Wissensgesellschaft" eine Perspektive, die auf den Willen und die Befähigung der Menschen zu Selbstbestimmung setzt.

Nicht Rechnerleistungen und Miniaturisierung werden die Qualität der künftigen gesellschaftlichen Entwicklung bestimmen. Entscheidend wird die Auswahl des Nützlichen und die Fähigkeit zum Aushalten von Ambivalenzen und Unsicherheit sein, die Gestaltung des Zugangs zu Wissen und der fehlerfreundliche Umgang mit dem Nichtwissen.
wissensgesellschaft.org

Sehr interessante Seite mit vielen Texten zum Thema.
Prädikat: empfehlenswert =)

Herrschaft wird direkt über die Bewegungen produktiver und kooperierender Subjektivitäten ausgeübt; Institutionen werden kontinuierlich den Regeln dieser Bewegungen entsprechend formiert und reformiert; und die Topographie der Macht hängt in erster Linie nicht länger an räumlichen Verhältnissen, sondern sie ist den zeitlichen Verschiebungen der Subjektivitäten eingeschrieben. Hier begegnen wir dem Nicht-Ort der Macht wieder, auf den wir bereits hingewiesen haben. Das hybride Kontrollregime des Empire bildet sich an einem Nicht-Ort aus.
Negri/Hardt: Empire

So also Negri und Hardt. Diese schließen explizit an das Konzept der Biomacht und der Kontroll- bzw. Disziplinargesellschaft von Foucault an. Mit dem Einwirken auf Subjektivitäten sprechen sie auch die "moderne Gouvernementalität" an. Ich weiss leider nicht, ob sie dies explizit odr nur implizit tun, da ich das "Empire" nur in kurzen Ausschnitten gelesen habe....

 

Flash Gamez BildungsBlog

twoday.net AGB

xml version of this page xml version of this topic

powered by Antville powered by Helma