Ich bin zur Zeit auf der Suche nach empirischen Arbeiten, deren theoretische Rahmung die Gouvernementalität bildet.
Leider musste ich nach der ersten Sichtung im Netz feststellen, dass sich dies schwierig gestalten wird, da die meisten Arbeiten -so auch meine- rein theoretischer Natur sind.
Gibt es Hinweise auf eine methodische Richtung oder gar eine Methodologie der Gouvernementalität?

Sachdienliche Hinweise bezüglich der englisch- und deutschsprachigen Literatur sind äußerst willkommen!

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haftgrund (Gast) meinte am 15. Aug, 19:22:
auf der Suche nach Ähnlichem
bin ich auf deine Diplomarbeit gestoßen :-)

(da ich sie gerade lese, dazu noch kein Kommentar, doch erscheint sie mir nicht so "rein" theoretischer Natur zu sein, sondern bietet imo praktische Ansätze, die über diesen bearbeiteten Bereich hinaus gehen)
Außer der auch von dir angeführten Literatur (Bröckling, Lemke, Opitz etc) habe ich bislang kaum etwas gefunden, was sich als im engeren Sinn empirische Arbeit im Rahmen des G.-Ansatzes bezeihnen ließe.

- Eventuell bietet "Stadt und Gouvernementalität" von einem im Jahr vor der ersten Vorlesung zur "Geschichte der G." Geborenen, mit dem schönen Vornamen "Michel" und dem interessante Assoziationen hervorrufenden Nachnamen "Boris", ein bißchen was von dem was du suchst: Westfälisches Dampfboot (Einstiege Band 15) 2005 - 156 S. € 14,90

- Kritiken an der Konzeption und an der Umsetzung und v.a. an der konkreten Darstellung der organisationsinternen und -externen Auswirkungen des "New Public Managements" erscheinen mir als gut einbindbar in den G.-Ansatz bzw. macht dieser sie erst wirklich fruchtbar (vermute ich). Da ist die kritische Literatur aber erst recht sehr schmal bis nicht vorhanden: Pelizzari, Die Ökonomisierung des Politischen und Steiger, Einführung des NPM in Wien (Diss.) bieten einiges empirisches Material, das vielleicht in deinem Sinne verwertbar ist. 
Lia antwortete am 16. Aug, 10:58:
Es freut mich,
dass du meine Arbeit liest, vielleicht magst du sie ja später mal kommentieren =)
Vielen Dank für deine Tipps! Über New Public Management-Konzeption bin ich bislang noch nicht gestolpert, werde diese mir aber gespannterweise mal ansehen. Wie heißt denn Frau oder Herr Steiger mit Vornamen? Und wann ist es erschienen? Ich konnte es leider im Netz nicht finden...

Arbeitest du denn auch mit dem G-Ansatz? 
haftgrund antwortete am 16. Aug, 11:49:
NPM/Steiger
Ist leider nur auf der WU und in Nationalbibl in Wien verfügbar. Anbei Abstract. Falls du Text willst, ich hab mir das meiste kopiert, könnte dir relevante Teile daraus kopieren. Besser vielleicht noch, ich werde den Verfasser fragen (bin seit kurzem via seinem Doktorvater mit ihm im e-mail-Kontakt wegen Veranstaltung zu diesem Thema), der müßte ja auch elektronische Fassung haben.

1.Autor/in Steiger, Michael
Titel Einführung des New Public Management in die Verwaltung der Stadt Wien und die Auswirkungen auf die Stadtplanung
Verfasserang. eingereicht von Michael Steiger
Jahr 2003
Umfang VI, II, 298 S.
Illustrat. graph. Darst.
Hochschulschrift Wien, Wirtschaftsuniv., Diss., 2003

Kurzfassung deutsch
Zentrales Thema der Arbeit ist die kritische Untersuchung der Einführung des New Public Management (NPM) in die Verwaltung der Stadt Wien. Die Arbeit basiert auf qualitativen Methoden und dem zirkulären Vorgehen der interpretativen Sozialforschung, wobei vor allem Hermeneutik und Dialektik zentrale Eckpfeiler bilden. Theoretische Basis liefern betriebswirtschaftliche Organisations- und Führungstheorien sowie die Regulationstheorie als politökonomische Theorie. Nach den methodischen und theoretischen Überlegungen wird ein historischer Überblick über die Entstehung und die Veränderungen Wiens und seiner Verwaltung gegeben. Der Hauptteil behandelt neben der Vorgangsweise der Implementierung auch die zum Einsatz kommenden betriebswirtschaftlichen Konzepte. Trotzdem diese Implementierung in weiten Strecken ohne Berücksichtigung kontextueller Faktoren erfolgte, wurde ihr kaum nennenswerter Widerstand entgegengesetzt. Wesentliche Ursache dafür dürfte darin liegen, dass die Verwaltung tatsächlich reformbedürftig ist und eine dringende Neuorientierung unter Berücksichtigung von Mitbestimmung und Demokratie erfordert, welche durch den standardisierten Einsatz der Toolboxes verschiedener Unternehmensberater gefährdet scheint. Es zeigen sich in der Stadtplanung deutliche Anzeichen sozialliberaler Strategien, welche, ähnlich wie die positivistischen Methoden der Mathematisierung den Kontext vernachlässigen, zur Fragmentierung der staatlichen Akteure und der Verwaltung führen und so die Umsetzung gemeinwohlorientierter Maßnahmen erschweren. (Autorenref.)

Mein Interesse ist weniger theoretisches sondern praktisches - Paradigmatische Veränderung der Büchereiarbeit in Wien durch Implementierung des NPM (oder so ähnlich). Erlebe das als gewerkschaftlicher Basiswappler hautnah seit Jahren und mit wachsender Unzufriedenheit über mangelnde theoretische Gegenkonzeption zu NPM. In diesem Zusammenhang erscheint mir G-Ansatz als brauchbar. Und in eben diesem Zusammenhang auch deine Arbeit - Kommentar kommt sicher! (nach dem ersten Lesen: ein sehr positiver :-) ) 
Lia antwortete am 16. Aug, 13:38:
Nochmal vielen Dank!
Ich kann ja zunächst in den Text von Pelizzari reinschauen, der ist nämlich in Frankfurt ausleihbar (aber wie immer: ausgeliehen).
Wenn es dir keine zu großen Umstände bereitet, wäre es schön, wenn du den Autoren aus Wien nach der elektronischen Version fragen könntest, aber: mach dir keinen Stress! 
haftgrund antwortete am 31. Aug, 15:21:
Neuen G.-Titel gefunden
Jedenfalls korrespondiert er mit deinem Thema. Und Empirisches ist auch dabei :-)
ciao hg


KESSEL, Fabian: Der Gebrauch der eigenen Kräfte: Eine Gouvernementalität Sozialer Arbeit.
Juventa (Juni 2005)
€ 34,50 (bei Amazon).


Kurzbeschreibung
Michel Foucault hat in seiner Vorlesungsreihe am College de France im Studienjahr 1977/78 die Genealogie des modernen Staates in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt. Schlüsselbegriff dieser Untersuchungsperspektive ist die Regierung: "La Gouvernementalite". Regierung bezieht Foucault dabei nicht nur auf Fragen der institutionalisierten Herrschaftsformen moderner Staatlichkeit, sondern auf unterschiedliche Formen der Führung von Menschen. Studien zur Gouvernementalität verdeutlichen seit einigen Jahren, vor allem im englisch- und französischsprachigen Bereich, den Erkenntniswert einer solchen machtanalytischen Vorgehensweise. Daran anschließend stellt die vorliegende Studie eine diskursanalytisch angelegte Gouvernementalität Sozialer Arbeit vor. Damit wird erstmals für die deutschsprachige Debatte um Soziale Arbeit ein solcher systematischer Entwurf vorgelegt.
Sozialpädagogische Regierungsweisen sind Teil der pädagogischen Ausprägung des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements des Sozialen. Soziale Arbeit stellt somit einen eigenständigen aktiven Teil dieser Regierungsweisen des Sozialen dar. In welcher Weise diese in den letzten Jahren in der Bundesrepublik gestaltet werden, wird anhand einer detaillierten Literatur- und Materialrekonstruktion am Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe sichtbar gemacht: Soziale Arbeit ist Teil des herrschenden Machtdispositivs Aktivierende Jugendhilfe.

Kundenrezension

Eine notwendige und bereichernde Perspektive, 4. Juli 2005
Rezensentin/Rezensent: tiselu (Mehr über mich) aus Waren (Müritz) Deutschland
Fabian Kessl greift in diesem äußerst lesenswerten Buch die Veränderungen in der Sozialen Arbeit im Rahmen des Übergangs vom Wohlfahrtsstaat zum aktivierenden Staat auf.
Der machtanalytischen Perspektive von Foucault folgend stellt er nicht die Frage, „ob sozialpädagogische Handlungsvollzüge Regierungshandeln realisieren oder nicht, sondern in welcher Weise und mit welcher Zielsetzung" (81) und sieht Soziale Arbeit nicht als Instrument der Sozialpolitik sondern als aktiven Teil der Regierung des Sozialen.
Diese Perspektive ermöglicht es eine der zentralen Funktionsbestimmungen der Sozialen Arbeit, die Vermittlung von Fremd- und Selbstführung bzw. von Individuum und Gesellschaft neu zu beleuchten. Dabei geht er im ersten Teil unter dieser Frage ausführlich und mit theoretischem „Tiefgang" auf die Vorläufer und Geschichte der Pädagogik und Jugendhilfe sowie die Grundlagen der Foucault`schen Machtanalysen ein. Im zweiten Teil rekonstruiert er anhand der Publikationen (Periodika) der Landesjugendämter aus den Jahren 1999 und 2000 Leitthemen des Dispositivs „Aktivierende Jugendhilfe" und die damit verbundene neo-soziale Neuprogrammierung der Jugendhilfe. Diese Diskursanalyse bezieht sich also auf oft vernachlässigte aber für die Praxis sehr bedeutsame Publikationen, mit denen quasi die ‚großen' politischen Vorgaben für die Praxis übersetzt werden und die eine handlungsleitende Funktion innerhalb der Jugendhilfe einnehmen. Kessls Blick für Nuancen, Widersprüche und historische Entwicklungen eröffnet dem Leser neue Perspektiven auf Theorie, Politik und Praxis der Sozialen Arbeit im Jugendbereich - und darüber hinaus. Sehr fein und facettenreich analysiert er bspw. die Verwendung und Verkehrung ‚alter' kritischer Begriffe und Ansätze, die im aktivierenden Staat neue (und keineswegs kritische) Bedeutungen und Auswirkungen bekommen, ohne sich dabei zu verheddern oder von seiner Ausgangsfrage abzuweichen. In seiner umfassenden Analyse verknüpft er normative, inhaltlich und ökonomische Veränderungen und schließt mit einem gelungenen Plädoyer für die Notwendigkeit einer politischen Theorie Sozialer Arbeit und einer Rückbesinnung auf die normativen Bezüge und Leitvorstellungen: „Einrichtungen und Fachkräfte Sozialer Arbeit finden sich damit aktuell in einer paradoxen Situation wieder: Neo-soziale Programme versprechen ihnen im Rahmen des neuen aktivierungspädagogischen Staatsmodells eine ungekannte öffentliche Anerkennung und drohen Sozialer Arbeit gleichzeitig mit ihrer Marginalisierung. Denn Sozialer Arbeit geht die wohlfahrtsstaatliche Orientierung an universellen Integrationsmustern zunehmend verlustig. Gleichzeitig verspricht ihr ein Rollenwechsel hin zu staatlichen Aktivierungsinstanz eine höhere Einflussnahme als je zuvor." (224f). Diese Chance, professionspolitischer Einflussmöglichkeiten droht jedoch in eine verkürzte funktionalistische Argumentation abzugleiten.
Dagegen setzt Kessl die notwendige Forderung an die Soziale Arbeit, ihre bisherige Distanz zu politischen Kämpfen aufzugeben und sich immer wieder neu der eigenen Wertmaßstäbe zu vergegenwärtigen und diese zu verteidigen oder zu überdenken und sich gegen die Integration vormals gesellschaftskritischer Einwände in neuem Gewand zu wehren.

Der Band bietet sowohl stärker theorieinteressierten LeserInnen - insbesondere im ersten Teil, als auch einem eher empirie- und praxisorientierten Publikum (vor allem Teil 2) reichlich Nährstoff.

Eine notwendige und bereichernde Perspektive! 
Lia antwortete am 1. Sep, 16:27:
Das werd ich
mir sehr bald mal anschauen! Vielen Dank! 
 

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