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Rezension: Georg Auernheimer (Hg.) (2008): Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 262 Seiten, ISBN: 978-3-531-15821-1 24,90€..
Das Sammelwerk von Georg Auernheimer dient einer kritischen Bilanzierung des bisherigen theoretischen und konzeptionell-praktischen Diskurses um das Thema „interkulturelle Kompetenz“. Gleichzeitig wird damit das Ziel anvisiert, vor dem Hintergrund des Diskurses das Konzept der interkulturellen Kompetenz für die pädagogische Praxis fruchtbar zu machen.
Der Sammelband gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird der Diskurs um interkulturelle Kompetenz problematisiert. Zum Beispiel stellt hier Paul Mecheril das Konzept einer interkulturellen Kompetenz als Sonderkonzept für Pädagogen, die der Mehrheit einer Gesellschaft angehören, in Frage und plädiert für eine „Kompetemzlosigkeitskompetenz“. Dieses Konzept verweist auf die Herausforderung „dass keine ‘einfachen’, rezeptologisch erfassbaren professionellen Handlungszusammenhänge vorhanden sind: Professionelles Handeln ist darauf angewiesen, in ein grundlegendes reflexives Verhältnis zu dem eigenen professionellen Handeln, seinen Bedingungen und Konsequenzen treten zu können“ (S. 25). Mecheril spricht sich dementsprechend für eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Begriff der Kultur aus. So geht es nicht um eine Art Kontrolle des richtigen Gebrauchs unterschiedlicher interkultureller Kommunikationsstrukturen, sondern eher um eine pädagogisch reflexive Haltung.
Georg Auernheimers Beitrag widmet sich Betrachtung der Konzepte interkultureller Kommunikation, die im Diskurs als besonders störanfällig beschrieben wird. Ausgehend von einem Rückblick auf die Forschungsgeschichte interkultureller Kommunikation entwickelt Auernheimer fünf Thesen, die u.a. deutlich machen, dass Kommunikationsstörungen nicht nur bei interkultureller Kommunikation entstehen, sondern unabhängig von diesem Hintergrund aufgrund von unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Interaktionspartner zustande kommen. Aufbauend auf diesen Thesen entwickelt Auernheimer ein heuristisches Modell zur Interpretation von Kommunikationssituationen, dass vier Dimensionen beinhaltet (Machtasymmetrien, Kollektiverfahrungen, Fremdbilder und differente Kulturmuster oder Scripts).
Im zweiten Teil des Bandes stehen spezifische pädagogische Arbeitsfelder wie Sozial- oder Schulpädagogik im Mittelpunkt. Im Beitrag von Leenen, Groß und Grosch werden die Vorbehalte gegen die Beschwörung einer interkulturellen Kompetenz in der Sozialpädagogik beschrieben, um diese dann dezidiert zu bearbeiten. Die Autoren sprechen sich für ein dynamischen Kulturmodell aus, indem Kultur nicht als klar abgrenzbarer und statischer Bereich verstanden wird, sondern das Interkulturalität aus dem Blickwinkel der handelnden (und Kultur produzierenden) Subjekte betrachtet (vgl. S. 106). Interkulturelle Kompetenz wird von den Autoren verstanden als „Bündel von Fähigkeiten, die einen produktiven Umgang mit der Komplexität kultureller Überschneidungssituationen erlauben“ (S. 110). Dieser Umgang ist nicht nur für das individuelle pädagogische Personal von Bedeutung, sondern gerade auch für die Organisationen im sozialpädagogischen Feld.
Der dritte Teil des Bandes stellt die Frage nach der Ausbildung einer interkulturellen Kompetenz in der Lehrerbildung in den Mittelpunkt. Der Beitrag von Andrea Lanfranchi fragt nach einer kurzen Einführung in die Thematik danach, was erfolgreiche Lehrpersonen in multikulturellen Schulen auszeichnet und bezieht sich dabei auf die aktuelle Forschungsliteratur. Anschließend beschreibt sie die aus ihrer eigenen Forschung entwickelten fünf Lehrertypen im Umgang mit Diversität. Ein Typ sticht dabei besonders hervor, da dieser mit vorhandener Diversität nach professionellen Standards kompetent handeln kann (vgl. S. 243). Dieser Typus zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass hier die handlungsleitenden schulischen Normen im Hinblick auf interkulturelle Kommunikation kontinuierlich reflektiert werden und im Konfliktfall die Problemlösungen fallbezogen erfolgen. Ausgehend von dieser empirischen Untersuchung entwickelt Lanfranchi ein Curriculum für interkulturelle Kompetenzem in pädagogischen Praxisfeldern, das in die thematischen Bereiche Differenz, Kommunikation und Antirassismus, Didaktik, Integration und Schulerfolg, Mehrsprachigkeit, Elternkooperation und Übergang ins Berufsleben gegliedert ist.
Der Sammelband von Auernheimer ist vor allem deshalb lesens- und empfehlenswert, da die kritische Dekonstruktion des Diskurses im ersten Teil eine konstruktive und produktive Auseinandersetzung mit reflexiven interkulturellern Konzepten anregt. In allen Beiträgen wird besonders deutlich, wie zentral die Fähigkeit zu Reflexion und Abstraktion für professionelles pädagogisches Handeln ist.
Rezension: Georg Auernheimer (Hg.) (2008): Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 262 Seiten, ISBN: 978-3-531-15821-1 24,90€..
Das Sammelwerk von Georg Auernheimer dient einer kritischen Bilanzierung des bisherigen theoretischen und konzeptionell-praktischen Diskurses um das Thema „interkulturelle Kompetenz“. Gleichzeitig wird damit das Ziel anvisiert, vor dem Hintergrund des Diskurses das Konzept der interkulturellen Kompetenz für die pädagogische Praxis fruchtbar zu machen.
Der Sammelband gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird der Diskurs um interkulturelle Kompetenz problematisiert. Zum Beispiel stellt hier Paul Mecheril das Konzept einer interkulturellen Kompetenz als Sonderkonzept für Pädagogen, die der Mehrheit einer Gesellschaft angehören, in Frage und plädiert für eine „Kompetemzlosigkeitskompetenz“. Dieses Konzept verweist auf die Herausforderung „dass keine ‘einfachen’, rezeptologisch erfassbaren professionellen Handlungszusammenhänge vorhanden sind: Professionelles Handeln ist darauf angewiesen, in ein grundlegendes reflexives Verhältnis zu dem eigenen professionellen Handeln, seinen Bedingungen und Konsequenzen treten zu können“ (S. 25). Mecheril spricht sich dementsprechend für eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Begriff der Kultur aus. So geht es nicht um eine Art Kontrolle des richtigen Gebrauchs unterschiedlicher interkultureller Kommunikationsstrukturen, sondern eher um eine pädagogisch reflexive Haltung.
Georg Auernheimers Beitrag widmet sich Betrachtung der Konzepte interkultureller Kommunikation, die im Diskurs als besonders störanfällig beschrieben wird. Ausgehend von einem Rückblick auf die Forschungsgeschichte interkultureller Kommunikation entwickelt Auernheimer fünf Thesen, die u.a. deutlich machen, dass Kommunikationsstörungen nicht nur bei interkultureller Kommunikation entstehen, sondern unabhängig von diesem Hintergrund aufgrund von unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Interaktionspartner zustande kommen. Aufbauend auf diesen Thesen entwickelt Auernheimer ein heuristisches Modell zur Interpretation von Kommunikationssituationen, dass vier Dimensionen beinhaltet (Machtasymmetrien, Kollektiverfahrungen, Fremdbilder und differente Kulturmuster oder Scripts).
Im zweiten Teil des Bandes stehen spezifische pädagogische Arbeitsfelder wie Sozial- oder Schulpädagogik im Mittelpunkt. Im Beitrag von Leenen, Groß und Grosch werden die Vorbehalte gegen die Beschwörung einer interkulturellen Kompetenz in der Sozialpädagogik beschrieben, um diese dann dezidiert zu bearbeiten. Die Autoren sprechen sich für ein dynamischen Kulturmodell aus, indem Kultur nicht als klar abgrenzbarer und statischer Bereich verstanden wird, sondern das Interkulturalität aus dem Blickwinkel der handelnden (und Kultur produzierenden) Subjekte betrachtet (vgl. S. 106). Interkulturelle Kompetenz wird von den Autoren verstanden als „Bündel von Fähigkeiten, die einen produktiven Umgang mit der Komplexität kultureller Überschneidungssituationen erlauben“ (S. 110). Dieser Umgang ist nicht nur für das individuelle pädagogische Personal von Bedeutung, sondern gerade auch für die Organisationen im sozialpädagogischen Feld.
Der dritte Teil des Bandes stellt die Frage nach der Ausbildung einer interkulturellen Kompetenz in der Lehrerbildung in den Mittelpunkt. Der Beitrag von Andrea Lanfranchi fragt nach einer kurzen Einführung in die Thematik danach, was erfolgreiche Lehrpersonen in multikulturellen Schulen auszeichnet und bezieht sich dabei auf die aktuelle Forschungsliteratur. Anschließend beschreibt sie die aus ihrer eigenen Forschung entwickelten fünf Lehrertypen im Umgang mit Diversität. Ein Typ sticht dabei besonders hervor, da dieser mit vorhandener Diversität nach professionellen Standards kompetent handeln kann (vgl. S. 243). Dieser Typus zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass hier die handlungsleitenden schulischen Normen im Hinblick auf interkulturelle Kommunikation kontinuierlich reflektiert werden und im Konfliktfall die Problemlösungen fallbezogen erfolgen. Ausgehend von dieser empirischen Untersuchung entwickelt Lanfranchi ein Curriculum für interkulturelle Kompetenzem in pädagogischen Praxisfeldern, das in die thematischen Bereiche Differenz, Kommunikation und Antirassismus, Didaktik, Integration und Schulerfolg, Mehrsprachigkeit, Elternkooperation und Übergang ins Berufsleben gegliedert ist.
Der Sammelband von Auernheimer ist vor allem deshalb lesens- und empfehlenswert, da die kritische Dekonstruktion des Diskurses im ersten Teil eine konstruktive und produktive Auseinandersetzung mit reflexiven interkulturellern Konzepten anregt. In allen Beiträgen wird besonders deutlich, wie zentral die Fähigkeit zu Reflexion und Abstraktion für professionelles pädagogisches Handeln ist.
Lia - am 22. Januar 2009, 12:36 - Rubrik: Rezensionen
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